Wolfsegg am Hausruck und der Nationalsozialismus
Nicht nur der Anschluss ans Deutsche Reich im Jahr 1938 wurde in Wolfsegg großteils wohlwollend angenommen. Wie auch in anderen Teilen Mitteleuropas gab es schon in den frühen 30er-Jahren bekennende und überzeugte Nationalsozialisten in Wolfsegg. Schon nachdem Hitler 1933 in Deutschland an die Macht kam, ahnten die Menschen auch den Anschluss an Nazi-Deutschland, der sich im Laufe der Jahre immer deutlicher abzeichnete. So kam es im September 1933 in Wolfsegg zu dem, von den Medien bezeichneten „blutigen Montag“, der die Bewohner zutiefst erschütterte.
„Der blutige Montag“ in Wolfsegg
Am 16. September 1933 fanden im Wolfsegg-Traunthaler Kohlerevier die
Musterungen der Heimatwehr für das freiwillige Schutzkorps und zwei
Heimatschutzversammlungen in Wolfsegg und in Pettenfirst statt. Hier
kam es zu ersten Reibereien zwischen Nationalsozialisten und
Heimatschützern. Diese wurden von dem als schweren Gewalttäter
bekannten, mehrfach einschlägig vorbestraften Nationalsozialisten
Rudolf Seiringer und seinem Bruder befeuert. Nachdem einige Personen
leicht verletzt wurden, verhafteten die Gendarmen den Führer der
Wolfsegger Nationalsozialisten Sonnleitner, sowie die vier Brüder
Seiringer, alle Nationalsozialisten. Zwei davon, darunter auch der 30-
jährige Schlosser Rudolf Seiringer, ließen sie allerdings im Laufe der
Nacht wieder frei.
Dass es sich dabei um keine kluge Entscheidung handelte, sollte sich
am nächsten Tag zeigen.
Am 18. September 1933 wurden im Gasthaus Hirsch erneut zwei
Heimatschützer von Rudolf Seiringer und seinen nationalsozialistischen
Gefährten verprügelt. Nach Bezichtigung dieser Taten kündigte man
Rudolf Seiringer seine Verhaftung an, der sich dieser mit Brutalität
widersetzte. Als ihm die Gendarmen die Handschellen anlegen wollten,
eskalierte die Situation. Er schlug schreiend um sich und zertrümmerte
Sessel, die er gegen die Gendarmen warf. Dabei ging auch eine
Glastür zu Bruch, die zwei Wirtstöchter verletzte. Rudolf Seiringer
verleitete die anderen anwesenden Nationalsozialisten, es ihm gleich zu
tun. Gegen andere Gäste, die sich großteils auf die Seite Seiringers
stellten, und auch gegen die Gendarmen wurden Gläser und Flaschen
geworfen. Sie bedrohten die Gendarmen, ihnen ihre Gewehre zu
entreißen und Rudolf Seiringer verbog einem Gendarmen das Gewehr
mit roher Gewalt. Sein Bruder Franz Seiringer zerschlug eine Bierflasche
am Kopf eines Gendarmen. Um den gewalttätigen,
nationalsozialistischen Mob in den Griff zu bekommen, waren die in Not
geratenen, teils verwundeten Gendarmen gezwungen, von ihren
Schusswaffen Gebrauch zu machen. Dabei wurden der völlig
unbeteiligte, sozialdemokratische Bäcker Johann Huber und der
arbeitslose Laborant Franz Seiringer, Bruder von Rudolf Seiringer,
getötet. Zwei Männer, der kommunistische, pensionierte Bergmann
Johann Watzinger und Rudolf Aicher, starben an den Folgen der
Verletzungen im Welser Krankenhaus. Mehrere andere Personen
wurden schwer verletzt. Rudolf Seiringer musste aufgrund einer
Schussverletzung der linke Arm abgenommen werden.
(„Der blutige Montag in Wolfsegg“. In: Salzburger Wacht. 07.02.1934, S.
7 Quelle
(„Drei Tote in Wolfsegg in Oberösterreich“. In: Kleine Volks-Zeitung,
20.09.1933, S. 2+3) Quelle
(„Schwere Zusammenstöße in Wolfsegg“. In: Salzburger Volksblatt,
20.09.1933, S. 1) Quelle
Ein Jahr später wurde bei einer Hausdurchsuchung bei dem
„fanatischen Nationalsozialisten“ Karl Seiringer schwer belastendes
nationalsozialistisches Material und Sprengmittel in Vogelnistkästen
gefunden.
(„Vogelnistkästen als Sprengmittelversteck“. In: Salzkammergut-Zeitung.
15. November 1934. S. 10) Quelle
Die Februarkämpfe in Holzleiten am 12. und 13. Februar 1934
Um der schrittweisen Zerstörung der österreichischen Demokratie und dem zunehmenden Entzug der Rechte der österreichischen Arbeiterinnen und Arbeiter entgegenzutreten, kam es vermehrt zu bewaffneten Aufständen in den Arbeiterhochburgen des Landes. Nachdem der Kampf- gegen den Willen der zögernden sozialistischen Parteiführung- begann, fand rasch seine Fortsetzung in Attnang und im Wolfsegg- Traunthaler- Revier. Nachdem der Aufruf zum Generalstreik misslang, kam es in der Region zu Schusswechsel. Besonders in Holzleithen wiegelte sich die Situation auf. Dort standen sich auf der einen Seite die Schutzbündler und auf der anderen Seite die „Hahnenschwoaflern“ (= Heimwehr), die vom Bundesheer unterstützt wurden, gegenüber. Der Schutzbund besetzte den Bahnhof und die Eingänge des Hausrucktunnels. Das Zentrum des Widerstands bildete das in den 20er- Jahren errichtete Arbeiterheim in der Bergarbeitersiedlung Holzleithen. Am Abend des 12. Februars wurden die drei Bewacher des Hausrucktunnels- Josef Skrabal, Josef Zeilinger und Johann Lobmeier- vom Bundesheer erschossen. Daraufhin zogen sich die meisten Schutzbündler zurück. Im Arbeiterheim und in dessen Umgebung verschanzten sich noch rund 30 Schutzbündler. Am 13. Februar stürmte das Bundesheer schließlich das Arbeiterheim. Es kam zu Kämpfen, die auf Seiten des Bundesheeres 5 Tote und auf Seiten der Schutzbündler einen Toten forderten. Am Abend des 13. Februars war Holzleithen in der Hand des Militärs. Zuletzt waren nur noch 6 Sanitäter des Schutzbundes im Arbeiterheim, die keinen Kontakt zu den Kämpfenden hatten und wehrlos die weiße Fahne am Arbeiterheim hissten. Die dadurch aus ihren Verstecken gelockten Alpenjäger des Bundesheers wurden dennoch von Schutzbündler, die sich außerhalb verschanzt hatten, angegriffen. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Soldaten des Bundesheeres drangen auf Anweisung der Bezirkshauptmannschaft ins Arbeiterheim ein, um Vergeltung zu üben. Die unbewaffneten Sanitäter wurde mit den Worten „An die Wand mit ihnen!“ dazu gezwungen, sich auf die Theaterbühne zu stellen. Das Feuer wurde eröffnet. Insgesamt wurden mehr als 60 Schüsse abgegeben und 4 der 6 Männer wurden tödlich getroffen: Franz Holzinger, Andreas Kropatschek, Josef Schmied und Anton Zarabnicky waren auf der Stelle tot. Die beiden anderen Verwundeten verdankten dem beherzten Eingreifen des Holzleithner Gemeindearztes ihr Leben, wie dessen Sohn zu berichten wusste: „Als mein Vater den Kinosaal betrat, lagen dort bereits die Toten und Verwundeten unter der Bühne. Er ist gerade zurechtgekommen, als die zwei Verletzten noch einmal auf die Bühne gestellt und erschossen werden sollten. Mein Vater setzte sich für die beiden ein und sagte, dass sie kein zweites Mal exekutiert werden dürften. Er hat damit Josef Zaribnicky und Johann Hamminger das Leben gerettet.“ Bereits seit 1933 war die kommunistische Partei verboten. In Folge der Kämpfe in Holzleithen, wurden schließlich auch alle sozialdemokratischen Verbindungen verboten und deren Besitz enteignet. Die meisten Sozialdemokraten und Kommunisten, die nach diesen Ereignissen nicht emigrierten, gingen in den Untergrund. Von Karl Sulzberger, dem ehemaligen Bezirksschutzbund-kommandant, ist ein Text aus seiner Haftzeit im Februar 1934 erhalten: „Noch weiß ich nicht, welche Strafe uns bevorsteht. Strafe? Wofür? Was habe ich schon verbrochen? Ist es ein Verbrechen, für die Freiheit… und ein größeres Stück Brot zu kämpfen. Nein!“